Meine erste Reise nach Wien. Überrascht und beeindruckt…
Man bekommt von Freunden, Broschüren und Filmen von einer Stadt oder einem Land Eindrücke und Vorstellungen, bevor man selbst diesen Ort erlebt. Durch solche Erzählungen wird ein (Vor)urteil gebildet, und es wird dadurch verstärkt, dass man von verschiedenen Menschen das Gleiche hört. Als ich mit Freunden über Wien geredet habe, habe ich nur angenehme Bilder erhalten. Viele positive Komentare zu dieser Stadt ließen bei mir das Interesse steigen, Wien kennen zu lernen.
Ich bin mit einem positiven (Vor)urteil nach Wien gekommen, das Menschen mir vermittelt haben. Wien hat in meinem Kopf ein Bild von Geschichtsträchtigkeit und Kultivierung hinterlassen. Das durch meinen Gang durch die (Innen)Stadt bestätigt wurde. Hier sind historische Architekturen sehr gut erhalten. Diese städtische Atmosphäre zeigt den Touristen die kulturelle Identität.
Interessant ist, dass die Architekturen nicht nur eine historische Bedeutung ausstrahlen, sondern auch vom Zustand der heutigen Welt erzählen. Überall wo Wien alt, historisch und für uns heute immer noch schön ist, locken uns Modelabels, nach dem neuesten Chic zu greifen. Hier spielen historische Häuser mit aktuellen Fashionmarken so zusammen als ob sie keine einhundert Jahre trennten. Die Modemarke H&M, die uns monatlich mit neuen Trends aus dem Massenproduktsektor lockt, residiert heute im Haus des bedeutendsten Bekleidungsunternehmens der k.u.k Zeit. Noch heute steht über dem Eingang hoch über dem roten H&M Logo der alte Name E. Braun & CO. Diese Firma war der Mode-Lieferant für Hof und Adel. Das soll auch heute noch einen Abglanz auf den Chic der jungen, nicht so zahlungskräftigen Welt werfen. Dadurch wirkt jedes Klamottenstück gleich wie ein Produkt des gehobenen, luxuriösen Geschmacks. Ich habe beim Gang durch die Straßen einen Druck von den Schaufensterdekorationen auf mich verspürt. In meiner Kleidung fühlte ich mich ausgeschlossen von dem Schein der Welt, der unter den Jugendstilornamenten auf die Straße zielte.
Ohne Frage ist es für eine historische Stadt eine vernünftige, ja sogar selbstverständliche Strategie, sich mit den aktuellen Modeangeboten zu arrangieren und einzurichten. Auch wenn sich die Fassaden nicht verändern, der Mensch dahinter geht sehr wohl mit der Zeit. Geschäftsleute müssen ihn erreichen.
Mich hat es dennoch sehr gestört, dass man die eigentlich liebenswerte Stadt mit schreienden Marken „vergoldet“. Modenmarken bauen heute ein vergleichbare gesellschaftliche Hierarchie auf wie zu Kaisers Zeiten. Diese Zeit wollten wir doch überwinden. Der Eindruck, dass ich mich mit teuren Marken verkleiden muss, wenn ich in der Innenstadt auftauchen will, deprimiert mich.
Akzeptiert Wien eigentlich Menschen oder Marken?
Das ist eine „lebendige“ Impression von meiner ersten Wienreise.